Die Dresdner Neueste Nachrichten druckte 1930 kurz nach der Öffnung des Parks auf Schloss Albrechtsberg zu Ostern einen Artikel "Aus der Geschichte des neuesten Dresdner Volksparks". Er beruht auf dem 1928 von Theodor Leuschner erschienen Heft "Loschwitz und seine Denkwürdigkeiten". Ich gebe diesen Text hier wortgetreu wieder.
Bei Findlaters und auf der Saloppe
Aus der Geschichte des neuesten Dresdner Volksparks
Die Saloppe ist vor 20 Jahren --- und wohl noch darüber hinaus --- idyllisches Ausflugsziel der Dresdner Bürgerfamilien, die keine weite Wanderung unternehmen und auch nicht allzu teuer leben wollen unterwegs.
Man geht von der Bautzner Chausse her einen romantisch begrünten Weg, immer an der Mauer des Albrechtsschlosses vorbei. Denn diese beiden gehören ja zueinander, Albrechtsschloß und Saloppe, fürstlich und ländlich, auf dem westlichen Ausläufer des Oberloschwitzer Höhenzuges.
Und nun ist in die Mauer des Schlosses, das vor fünf Jahren in städtischen Besitz überging, eine Bresche geschlagen, der Park allen freigegeben, die ein wenig Erfrischung nötig haben in ihrem Alltag. Und in der Saloppe, die eine Zeitlang still und ungenützt lag, soll nunmehr ein Wirtschaftsbetrieb eingerichtet werden.
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W a s w a r d i e S a l o p p e ? Zunächst, schon im 18. Jahrhundert, ein bretternes Gehäuse, in dem der am Elbufer stationiere Fährmeister ein paar Stärkungen für die Wanderer, die Fuhrleute, die auf der Chausse hier hinaufkamen, bereit hielt. Wirklich seßhafter Betrieb wurde in diesem zunächst als Weinberg eingerichteten Gelände, nachdem 1760 die Preußen, die hier eine Feldwache hatten, abgezogen waren. Ihr Marketender, der Fährmeister Franz Köhler, erwarb nun die schlichte Bretterbude, in der er sie bewirtet hatte, und stellte sich auf Friedensbetrieb ein, d. h. er machte einen Ausschank auf für alle in dieser "Wutki-chalupke", wie die schnapsfreudigen Russen sie nannten, die in den Freiheitskriegen hier lagerten. Der Name aber soll von dem tschechischen Bömätschern herrühren, die hier heraufkamen.
1822 setzte Gottlieb Portman ein festes Fachwerkhaus an Stelle der Bude. Später baute man das Ziegelkastell dahin.
Und nun die Geschichte des großartigeren Nachbars, des A l b r e ch t s ch l o s s e s. Ein bekannter Heimatforscher, Oberlehrer Theodor L e u s ch n e r in Loschwitz, hat sich, wohl als erster, eingehend mit der Geschichte dieses Parks und Schloßgeländes befaßt. Wir geben hier seine Studienergebnisse, die auch manches Dunkel aufzuhellen suchen, wieder.
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Der berühmte Schloßherr und seine Rätsel
L o r d J a k o b G r a f v. F i n d l a t e r u n d S e a f i e l d, P a i r v o n S ch o t t l a n d, ließ sich hier 1811 ein umfangreiches Landhaus errichten. Ludwig Rellstab schreibt, als er 1811 mit seinem Vater Dresden zum ersten Male besuchte. "Der erste Besitzer und Begründer war ein reicher Engländer, er hatte diesen Platz als einen der schönsten, die ihm auf allen seinen Reisen vorgekommen, gewählt. Er setzte viel Geld daran, um einen Landsitz zu schaffen, der für die damalige Zeit das Höchste an Glanz und Behaglichkeit darbot, was die Vorstellung sich nur träumen konnte."
Findlater hatte für diesen Zweck durch verschiedene Ankäufe von Weinbergsgrundstücken einen sehr umfangreichen Grundbesitz zusammengebracht. Aber seltsam: In den Kaufbüchern der Ratsgemeinde Loschwitz ist er niemals als Käufer angeführt, sondern immer sein "Sekretär" oder sein "Lehnsträger" J o h a n n G e o r g C h r i s t i a n F i s ch e r. So erwirbt dieser 1803 den Weinberg des Dr. Christian Gottfried Heyme, im selben Jahre noch den der Frau Marie Rosine Juliane Müller geb. Hennig und am 1. September den Weinberg des Samuel Immanuel Bredemann.
Auf diesem Weinberg ist bereits eine kleine Gastwirtschaft vorhanden. Als Pächter ist ein gewisser Proßen genannt; das scheint die Wirtschaft gewesen zu sein, in der der junge Wilhelm v. Kügelgen während der Mordnacht 1819 nach seinen nicht heimgekehrten Vater nachgefragt hat. Auch den Weinberg des Stückgießers Weinhold, der an die damals von Reißig bewirtschaftete Saloppe grenzte, bringt Fischer in seinen Besitz. Über drei vom Fiskus auf Fischhäuser-Revier angelegten "Holzböden" sind Vererbungsurkunden vom 20. November 1804, 21. März 1806 und 10. Mai 1808 vorhanden. Diese Waldparzellen liegen zwischen Bautzner Landstraße und Mordgrund. Man geht nicht fehl mit der Annahme, daß der F i n d l a t e r s ch e (o d e r F i s ch e r s ch e) G r u n d b e s i tz v o n d e r S a l o p p e b i s a n d i e M o r d g r u n d b r ü ck e s i ch e r st r e ck t hat. Ein riesiger Besitz! Wer der Baumeister gewesen ist, der hier mit reichsten Mitteln etwas Schönes schaffen durfte, läßt sich nicht auffinden. Wie schön, das lassen die in den Mappen der Dresdner öffentlichen Sammlungen aufbewahrten Abbildungen erkennen.
Findlater hat sich nur kurz seines Besitzes freuen können, denn schon am 5. Oktober 1811 ist er gestorben. Der Eintrag im Loschwitzer Sterberegister von der Hand des Pfarrers Mag. Kretzschmar lautet: "Sonnabend den 5. Oktober 1811 früh 9 Uhr gestorben, Mittwoch den 9. Oktober 1811 begraben in der Stille auf hohe Ephoralverordnung vom 8. Oktober 1811 in das an die Fischersche Familie vererbte Begräbnis. Herr Lord Jakob Graf v. Findlater, Pair von Schottland usw., 64 Jahre, Ursache des Todes: Erkältung." Er ist begraben worden auf dem kleinen Kirchhof am Fuße der Loschwitzer Kirche. Aber auch dieses letzte Stück Land gehört seinem Lehnsträger Fischer, was nicht nur aus dem kirchlichem Eintrag hervorgeht, sondern auch durch die Konzessionsurkunde vom 9. Januar 1809 bestätigt wird.
Für diese Anordnung "i n d e r S t i l l e" hat sich keine Begründung finden lassen. Der einzige noch lebende Nachkomme jenes Fischer vermag sich aus den Erzählungen seiner Mutter nur dessen zu erinnern, daß Findlater seinerzeit Schottland hat verlassen m ü s s e n. Weshalb? ... Ferner sagt er, daß Findlater ein Legat mitbekommen habe, daß aber im Falle einer Verheiratung zurückgezahlt hätte werden müssen. Von dem Legat habe er Rittergut Helfenberg gekauft.
So deckt die schwere Sandsteinplatte auf dem Loschwitzer Friehof ein G e h e i m n i s.
Findlater gehörte der großen, in Schottland ansässigen, Familie von Ogilvie an. Diese ist in zwei Linien geteilt, Ogilvie of Airlie und Ogilvie of Findlater. Das Haupt der ersten Familie ist heute der bei Pertio ansässige Earl of Earlie, die andre Linie ist mit unserem Findlater erloschen.
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Die fröhliche Gaststätte
Aus dem Privatbesitz wird der öffentliche Garten.
Die Gaststätte "Findlaters Weinberg" wurde am 29. April 1821 laut Tagebuch des Dresdner Bürgers Daniel August Taggesell mit einem Einzugsschmaus eröffnet. Johann Gabriel Krebs hatte das Grundstück 1821 durch Kauf in seinen Besitz gebracht. Nach Poles Chronik von Loschwitz soll Krebs außerdem Besitzer des Hotel de France in Dresden und des Rittergutes Medingen gewesen sein. Nun wird Findlaters Weinberg sehr bald der Ausflugsort der Einheimischen. Auch jeder Dresden besuchende Fremde "mußte dort gewesen sein". Der Dichter Ludwig Rellstab berichtet von seiner zweiten Reise nach Dresden im Jahre 1821: "Findlaters Weinberg, damals das Kaffeehaus mit der schönsten Aussicht auf halb Sachsen und Böhmen." Die Glanzzeit der Gastwirtschaft hielt nicht lange an. Krebs verpachtete den Betrieb an seinen Hausmeister Joh. Gottfried Barthel. Bevor dessen Pachtvertrag (bis 1. April 1840) zu Ende ging, verkaufte er den Gesamtbesitz am 12. August 1839 an den Leipziger Privatus William Schindler. Krebs ist bald darauf am 12. Mai 1840 gestorben, sein Grab finden wir auf dem kleinen Friedhof am Fuße der Loschwitzer Kirche. Auf seinem Grabstein ist er als "gewesener Besitzer von Findlaters Weinberg" genannt. Schindler kann aber den teuren Besitz nicht lange halten. 1845 wird er wegen einer ausgeklagten Schuld öffentlich versteigert. Die Witwe und die Kinder von Krebs erstehen ihn wieder zurück. In dem dazugehörigen behördlichen Gutachten heißts es von ihm: "durch seine reizende Lage und umfassende Aussicht im In- und Ausland genugsam bekannt."
Die neuen Besitzer geben sich Mühe, der Wirtschaft die frühere Anziehungskraft zurückzugewinnen, es gelingt ihnen aber nicht, wie wir in dem 1846 erschienenen Büchlein "Dresden und die Dresdner, oder Spiegelreflexe aus Dresdens Gegenwart" lesen: "... Findlaters Weinberg, der sich nicht wieder zu altem Glanz erheben kann, sondern nur vom alten Ruhm ein mageres Dasein fristet."
Schindler wollte schon vor der Zwangsversteigerung den Besitz wieder loswerden. Das lassen drei Tagebuchaufzeichnungen des Verlagsbuchhändlers Heinrich Brockhaus erkennen, nach denen dieser die ernste Absicht hatte, den käuflichen Weinberg zu seinem Ruhesitz zu erwerben. Er ließ jedoch den Gedanken fallen und kaufte 1847 das in der Nachbarschaft gelegene Grundstück des Hofrats Theodor Winkler, des unter dem Decknamen Theodor Hell bekannten Herausgebers der Dresdner "Abendzeitung".
Die Familie Krebs scheint dann den Weinberg an ein Glied der Familie Fischer veräußert zu haben; denn nach dem Lehnsschein vom 16. Oktober 1847 hat Frau Johanna Christiane Fischer von ihrem Ehemann Ernst Philipp Fischer geerbt. Die Witwe verkauft 1850 das Grundstück an Ernestine verehelichte Baronin v. Stockhausen geb. Freiin Treusch v. Buttlar-Brandenfels für 16.000 Thaler. Diese Käuferin hat den Kauf für den P r i n z e n A l b r e ch t v o n P r e u ß e n unternommen, der sehr bald alle Baulichkeiten niederreißen und vom Landbaumeister Lohse aus Berlin das neue Schloß errichten ließ. In dem Tagebuch Taggesells lesen wir: "Dem 25. April 1851 wurde ein Maurer bei dem großartigen Neubau und der Parkanlagen des ehemaligen Findlaterschen Weinbergs verschüttet." Der Grundbucheintrag vom 12. Juli 1855 nennt dann den Prinzen Albrecht von Preußen als Besitzer.1
Bildnachweis:
[1] aus Th. Leuschner, Loschwitz und seine Denkwürdigkeiten, Selbstverlag des Ortsvereins Loschwitz e. V., Dresden-Loschwitz 1928
Quellennachweis:
[1] Dresdner Neueste Nachrichten, Nr. 105, am Sonntag, den 4. Mai 1930 SLUB