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Die Reblaus ist ein wirtspezifischer bedeutender Schädling im Weinbau. Sie wurde in den 1860er Jahren aus Nordamerika mit dem Import von amerikanischen Reben in Frankreich eingeschleppt. In Nordamerika haben die Reben eine Resistenz gegen die Reblaus aufbauen können. In Europa trafen diese auf Reben, die dieses Merkmal nicht besitzen.

1850 gab es in Frankreich die Mehltaukrise. Der darauf folgende Import von Reben aus Amerika führte zur Einführung der Reblaus. Danach entbrannte eine Debatte über die Bekämpfung des Schädlings: Chemische Bekämpfung, Verwendung resistenter amerikanischer Reben, Kreuzung amerikanischer Reben mit europäischen Reben und letztendlich das Pfropfen europäischer Reben auf amerikanische Unterlagen, um die Keltereigenschaften europäischer Reben zu erhalten.

Der Schädling ist eine Laus mit eingeschlechtlicher Vermehrung im Wurzelbereich, welche die Wurzeln durch Fraß schädigt. Einige der Wurzelläuse verlassen den Boden und werden geflügelte Rebläuse aus denen durch Eiablage männliche und weibliche Rebläuse im Stockbereich entstehen. Eine Art deren Nachkommen sind wiederum Wurzelläuse, die sich dann wiederum im Wurzelbereich ansiedeln. Der oberirdische Vermehrungszyklus ist jährlich, der unterirdische Zyklus ständig. Der Fortschritt einer Epedemie ist dementsprechend über einen längeren Zeitraum anzunehmen. Gefördert wurde die Verbreitung allerdings durch Neupflanzungen mit bereits befallenen Rebstöcken, dem Handel mit Reben, sowie durch Verschleppen befallener Erde oder z.B. von Rebpfählen aus befallener Rebfläche in nicht befallene Rebfläche.

Das genau ist in Frankreich passiert. 1865 wurde hier erstmals die Reblaus nachgewiesen. In Deutschland wurde sie erstmals 1874 auf dem Annaberg bei Bonn gefunden. Insgesamt wurden in Frankreich 2,5 Millionen Hektar Rebfläche vernichtet. Die Verbreitung in Europa kann aufgrund der Vermehrungseigenschaften der Reblaus in der kurzen Zeit also nur durch den Handel mit befallenen Reben erfolgt sein. Die Epedemie hatte nationale und internationale Konferenzen zur Folge, die sich dann auch in Gesetzen wiederfanden:

17.9.1878 Berner Konvention
1881 Internationale Reblauskonvention
3.7.1883 Reichsgesetz zur Bekämpfung der Reblaus
12.5.1884 Verordnung zur Ausführung des Reichgesetzes der Regierung Sachsens
14.4.1886 vertrauliche Konferenz zur Reblausfrage in Wiesbaden
26.8.1887 Albertschlößchen-Konferenz in der Niederlößnitz
1891 Erfurter Konferenz zur Rebenzüchtung und Rebveredlung

Sachsen war in dieser Zeit ein rückständiges Weinbaugebiet. Die Reben standen im gemischten Satz. Die Neupflanzungen, der Ersatz von Fehlstellen im Weinberg, erfolgte durch Senken. Zum Senken oder Vergruben wird in eine Grube von 50 cm Breite, 80 cm Länge und vielleicht 60 cm Tiefe ein Trieb einer benachbarten Rebe heruntergebogen und zusammen mit reichlich Stallmist eingegraben, damit dieser dort neu bewurzelt.3

[A. von Tromlitz in Sämmtliche Schriften - Der Norweger oder romatische Wanderung durch die sächsische Schweiz, Dresden 1829: ... Ist es dem Herrn gefällig, sagte der noch nicht sehr alte, aber doch schon gebeugte Mann, den wahrscheinlich mein Führer von meiner Wißbegierde unterrichtet hatte, so folgen sie mir auf die Höhe, da können Sie Alles besser beschauen, als hier, wobei er seiner Tochter einen Wink gab, den ich jedoch nicht verstand. Ich folgte ihm, sah mich neugierig rechts und links in dem Weinberge um und bemerkte bald eine Menge Löcher, in denen kleine Weinstöcke standen. Auf meine Frage was dies sei? erwiderte er: Das sind Gruben, in welche man alte Stöcke senkt, um sie wieder zu verjüngen. Dies überraschte mich, und während ich die Gruben besah, ward meine Phantasie wieder rege. Ach, könnten wir uns doch auch so verjüngen.]

Dies wurde in Sachsen noch Anfang des 20. Jahrhunderts von dem zumeist auf Kleinflächen betriebenen Weinbau im Nebenerwerb so praktiziert. Nur fortschrittliche Winzer stellten vom gemischten Satz und Senken, welches zur Degeneration der Reben führt, auf Weinbau in Zeilen und Wurzelreben aus Rebschulen um. Es ist davon auszugehen, daß gerade diese Winzer unfreiwillig die Reblaus in das von den großen Weinbaugebieten abgelegene Sachsen einschleppten. Und gerade in der Lößnitz war der fiskalische und großbürgerliche Weinbau zuhause.

Die Reblaus wurde erstmals am 19.8.1887 in der Hoflößnitz festgestellt. Es folgten zeitnah Wahnsdorf, Oberlößnitz, Niederlößnitz, Naundorf, Serkowitz und Lindenau. Ende 1887 galten 40 Hektar von 140 Hektar hier bewirtschafteter Rebfläche als verseucht.

Die Bekämpfung erfolgte in Sachsen durch Desinfektion zunächst mit Petroleum, später auch mit Schwefelkohlenstoff. Gemäß dem Reichsgesetz zur Bekämpfung der Reblaus vom 3.7.1883 sollte der Staat 3 Goldmark pro befallenen Rebstock zur Vernichtung zahlen. Oft wurde gern in unrentablen Weinbergen die Reblaus festgestellt. In Sachsen wurden allerdings deutlich niedrigere Entschädigungen gezahlt. Umstellung auf Obstbau und letztendlich Umwandlung in Bauland waren lukrative Alternativen zum unrentablen Weinbau.

1890 wurde die Reblaus in Scharfenberg und Brabschütz, 1892 in Gohlis, 1896 in Orberau, 1905 in Niederau und 1912 in Meißen-Rauhental festgestellt. Verglichen mit der Lößnitz waren hier aber die Anzahl der gefundenen Herde gering. In Pillnitz, Wachwitz, Dresden, Weinböhla, Coswig, Meißen und Diesbar-Seußlitz wurde kein Reblausbefall festgestellt, in Meissen nur in kleinen Herden und ungewiss.

1905 gab der Reichskanzler bekannt, daß die "Unterdrückung der Reblaus in sächsischen Seuchengebieten als nicht mehr durchführbar galt". 1907 wurde die Reblauskommission eingezogen und die obligate Reblausvernichtung eingestellt.

Die Interessenkonflikte zwischen kleinbäuerlichen Winzern im Nebenerwerb, industrieller Revolution in Sachsen mit Abwanderung der Arbeitskräfte in die Fabriken, Streit über die richtigen Bekämpfungsmethoden der Reblaus, der sächsische Staat, der eher Steuereinnahmen aus den Fabriken als aus dem Weinbau sah, die Unrentabilität auch des fiskalischen und großbürgerlichen Weinbaus führten zu einer Abnahme des Weinbaus von 1650 Hektar im Jahr 1839 auf 110 Hektar im Jahr 1934. 1944 waren es wieder 180 Hektar.

Beschwerden und Petitionen von Winzern, die bereits um die Jahrhundertwende das Pflanzen von veredelten Reben mit resistenten amerikanischen Unterlagen forderten, blieben ungehört oder wurden von der Sächsischen Regierung abgewiesen. Erst Jahre später wurde die Verwendung von Pfropfreben gestattet. Nur die Eigeninitiativen sächsischer Winzer verhalf zum Erhalt des sächsischen Weinbaus.

1944 sind in Sachsen noch 16 Prozent der Reben wurzelechte Reben. Obwohl andere europäische Weinbauländer schon millionenfach Pfropfreben gepflanzt hatten, etablierte sich erst an der Saale/Unstrut die Pionierarbeit für Pfropfreben.

Industrielle Revolution, Niedergang des Weinbaus durch die Reblaus und Neuanfang veranlassen meinen Vater zu folgender Aussage: "Der Weinbau wurde vom bäuerlichen Nebenerwerb zum Arbeiter-, Angestellten- und Intellektuellen-Hobbyweinbau".

Quellenangaben:

1 Wikipedia
2 Gerd Ulrich, Archivalien zur Geschichte des Sächsischen Weinbaus 1887 - 1997 unter besonderer Berücksichtigung des Reblausbefalls 1887, Schriften zur Weinbaugeschichte, Gesellschaft für Geschichte des Weins, Wiesbaden, 1998
3 Carl Pfeifer, Praktische Anleitung für den neuen Anbau, Landesverein Sächsicher Heimatschutz, Band XIII, 1924, Seite 222

Bildnachweis:

1 Landesverein Sächsicher Heimatschutz, Band XIII, 1924